CW plaudert


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Das größere Wunder oder eine Begegnung mit Thomas Glavinic

Im Sommer diesen Jahres, als ich für einen viel zu kurzen Tag in die Welt von Jonas, dem Protagonisten aus ‚Das größere Wunder‘ eingetaucht bin, habe ich eine Weile gebraucht wieder in die Realität zurückzufinden. So ist das mit tollen Büchern eben. Ich hab das auf den diversen Kanälen ja schon verbraten, hier also nur zusammenfassend: ich war begeistert, mein Lesehighlight des Jahres. Nicht jeder wird das Buch mögen, manche keinen Zugang zur Geschichte finden, den meisten (hoffe ich) wird es wie mir ergehen und etwas an den Personen, der Sprache, des Abenteuers an sich, wird sie anspringen und gefangen nehmen.

Vergangene Woche nun kam der Autor auf seiner kreuz und quer durch die Lande führenden Lesereise auch in Augsburg bei Bücher Pustet vorbei. Klar, dass ich da hin wollte. Lesungen sind eigentlich nicht so mein Ding, aber mit Herrn Glavinic verbindet mich persönlich (ohne ihm jemals begegnet zu sein) ein kleines ‚Verfolgungsspiel‘.

Vor vielen Jahren, als ich öfter mal beruflich in Wien war, hatte ich mir für die manchmal etwas eintönige Autofahrt zwischen Salzburg und Wien das Hörbuch  ‚Das bin doch ich‚ besorgt, übrigens hervorragend passend gelesen von Thomas Maurer, einem Wiener Kabarettisten. Ich mochte das Hörbuch, die Geschichte hat mich zum Schmunzeln und mir die Ecke in Wien rund um den Naschmarkt näher gebracht. Von da an war ich oft am Naschmarkt und einem angrenzenden Restaurant zum Abendessen, immer irgendwie umherschauend, ob mir Thomas Glavinic wohl mal über den Weg laufen würde – was natürlich nie passiert ist. Die Atmosphäre am Naschmarkt und das gute Essen im ‚Café Amacord‘ haben mich dafür ausreichend entschädigt 😉

Was ich an der Lesung mochte (das Buch mochte ich ja sowieso schon!) war zum einen: die Kürze. Eine knappe Stunde genügt völlig, nicht jeder muss ein Harry Rowohlt sein! Des weiteren: ein charmanter, selbstironischer Autor. Eine gemeinsame Lieblingsfigur. Und die Erkenntnis, dass ich das Buch viiiieeeel zu schnell gelesen habe, so viele Eindrücke dadurch nicht haften geblieben sind, ich es unbedingt noch mal lesen muss, aber leider gar kein eigenes Exemplar besitze (meines war damals ein Leseexemplar, das auf Wanderschaft ging).

Wie die spontane Choreografie des Abends es so wollte, kam es nun also tatsächlich zur ersten persönlichen Begegnung mit Thomas Glavinic. Da muss ich jetzt doch mal ein ‚Hach‘ loslassen. Als Highlight des Monats lässt sich das allemal einstufen 🙂 Zu viert sind wir noch auf einen kleinen Nachlese-Absacker, unkompliziert, persönlich, interessant, charmant, unterhaltsam, ein runder Abschluss des Abends und die augenzwinkernde Erkenntnis ‚Autoren sind auch nur Menschen wie du und ich‘ und manche trinken Weinschorle, schüttel 😉


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Geständnis einer (manches Mal peinlichen) Lesesucht und die Entdeckung eines neuen Genres: Steampunk

Ich lese. Gerne, oft, gefühlt schon immer. Lesen ist Flucht und Unterhaltung. Dass man hin und wieder auch was lernt ist ein netter Nebeneffekt. Meine primäre Lesemotivation aber war und ist die Entdeckung neuer literarischer Welten.

Es gibt Phasen, das hab ich schon öfter mal erwähnt, in denen mir lesen schwer fällt. Ich mag sie nicht, diese Phasen. Mir fehlt dann was. Zum Neustart brauche ich entweder einen Roman mit einer Geschichte, die mich vom ersten Satz an in den Bann zieht – was meist schwer zu finden ist – besser funktioniert was völlig Triviales, und das kann tatsächlich richtig echter Schund sein. Und ja, das ist mir schon auch mal peinlich. Aber dazu gleich noch mehr.

Schon als Kind hatte ich meine Lesesucht-Phasen. Und damit meine ich nicht einfach süchtig nach lesen im Allgemeinen, sondern gefangen sein in einer Serie, hechelnd nach  einem Protagonisten, gebannt von einem/r Autor/Autorin, immer mit dem Verlangen nach Vollständigkeit, nicht abwarten könnend das nächste Abenteuer zu ‚erleben‘.

So hatte ich als ca. 12jährige eine nahezu schmerzhafte Winnetou-Sucht. Schmerzhaft, weil ich natürlich nicht ständig lesen konnte, es gab wohl noch solche Banalitäten wie Schule, Hausaufgaben, Essen, schlafen und weil ich zudem die Karl May-Bände aus der Bücherei ausleihen musste.  Jede/r, die/der als Kind auf die Bücherei angewiesen war (und waren wir das damals nicht alle??) weiß wovon ich rede. Unter Umständen wochenlanges Warten auf das gewünschte Buch und dann durfte man nur vier Bücher auf einmal ausleihen. Echte Folter.

Auf Winnetou folgte meine erste peinliche Phase. ‚Groschenhefte‘, nein, kein Perry Rhodan (das war für Jungs 😉 ) und auch kein Lassiter (was vielleicht dem Genre entsprechend logisch gewesen wäre), nein, es wurde …

Monatelang war ich gefesselt in der Welt der zweispaltigen 65 Seiten, gefühlte 100 Abenteuer haben wir zusammen durchgestanden, nicht wirklich voneinander zu unterscheiden, hat mich nicht gejuckt. Das gesamte Taschengeld wurde investiert und mich wundert noch heute, dass meine Eltern ob dieser offensichtlichen Obsession ihrer 13jährigen Tochter für Untote, Zombies, Geister nicht eingeschritten sind.

Aber auch diese Phase ging vorbei, es folgten viele andere quer durch alle Genres, aufploppend und wieder verschwindend. Im Rückblick immer geprägt von Verwunderung wie es dazu hatte kommen können, in der entsprechenden Zeitspanne eine nicht abzuwendende Notwendigkeit, eine echte Sucht eben.

Mitte der 80er Jahre, während meines Studiums, machte mich eine Freundin mit Ed McBains Krimireihe bekannt. Damals waren mindestens schon 25 Bände auf dem Markt und wir versanken gemeinsam für Wochen in der Welt des 87. Polizeireviers in New York. Ich kann mich noch gut der leicht frustrierenden Leere entsinnen, als wir ‚durch‘ waren und uns plötzlich in der realen Welt wiederfanden. Es braucht – auch heute noch – eine gewisse Zeit, um sich von diesem Eintauchen in eine erfundene Welt zu lösen.

Später hab ich mich noch einmal mit einem Ausflug ins 87. Polizeirevier versucht (ja, Ed McBain schrieb immer noch) und festgestellt, dass das so nicht mehr funktioniert, jede Sucht hat (zum Glück) ihre eigene Phase.

Vor ein paar Jahren nun – und mit diesem Geständnis katapultiere ich mich nun endgültig in den Olymp der Verlegenheit – hab ich mich von der frühen Vampir-, Gestaltwandler-, Hexen-, Whatever-Welle überrollen lassen. Ein Jahr lang. Gefangen in der Unterwelt. Sehr zum Leidwesen meiner ‚Lesefreunde‘ war ich nur schwer von anderer Literatur zu überzeugen – ich hatte auch gar keine Zeit. Einziges Argument, das ich zu meiner Verteidigung vorbringen kann, ich habe alles auf englisch gelesen. So konnte ich mir zumindest vorgaukeln ich hätte die Herausforderung einer fremden Sprache, haha. Um die 150 Bücher habe ich in dieser Zeit gefressen, ich habs nachgezählt. Ich hatte damals noch keinen eReader, unsere Buchhandlungen waren noch nicht auf den Zug aufgesprungen, in englisch schon gar nicht, und so trudelte jede Woche ein neues Päckchen mit Nachschub bei mir ein.

So schnell wie es kam, plötzlich war es weg. Was blieb? Im Nachklang habe ich die Welt der Fantasy-Literatur für mich entdeckt. Der ‚echten‘ Fantasy, zu der ich außer Tolkiens grandiosem ‚Herr der Ringe‘ und viel später Neal Stephensons ‚Cryptonomicon‘ und der folgenden ‚Barock-Trilogie‘ nie Zugang gefunden habe.

Erwähnt seien hier nur meine absoluten Favoriten.

  • Brent Weeks Nightangel-Trilogy
  • Peter Brett ‚The Painted Man‘
  • Patrick Rothfuss ‚Name of the Wind‘
  • Neal Stephenson ‚Anathem‘
  • Jim Butcher 6 Bde. Codex Alera
  • Brian Sanderson ‚Elantris‘, ‚Warbreaker‘

Zu guter Letzt nun zum eigentlichen Anlass, warum ich hier in die Tiefen der Lesesuchtbekenntnisse eingetaucht bin.

Ich habe mich gerade, ganz frisch, in ein neues Genre gewagt, und es hat mich …angefixt: Steampunk.

Was Steampunk nun genau bedeutet kann ich weder erklären, noch weiß ich es so genau, man kann aber auch einfach mal hier nachlesen und eine Vorstellung bekommen. Dass es sich bei der äußerst vergnüglichen Leseerfahrung um Steampunk handelt, hab ich erst hinterher bei der Suche nach Vergleichsliteratur herausgefunden.

Das Objekt der Begierde: Lindsay Buroker 7 Bde. Emperor’s Edge (nur englisch!)

Angestoßen von einem Facebook-Posting, der erste Band als kostenloses eBook, kann man ja mal testen. Hahaha, guter Trick, hat funktioniert!

Wir werden entführt in eine Welt der Abenteuer, der klassischen Abenteuer, einem Mix aus Jules Verne und Arthur Conan Doyle. Dunkel und dampfig, Helden, Antihelden, Herrscher, Burgen, Intrigen, Erfindungen, Kämpfe, Territorien, Verbündete, Feinde, gut, böse, Verrat, Vertrauen, Mut, Verzweiflung, Folter, Zauberei, Degen, Messer, Kanonen, Kameradschaft, Trauer, Tod, Humor, eine Eisenbahn, U-Boote, ein Luftschiff,  ein mysteriöses fremdes ‚Raumschiff‘ und die Liebe.

Ich habe mich schon lange nicht mehr so amüsiert beim Lesen. Die Helden der Geschichte eine zusammengewürfelte Gruppe von Outlaws, die sich ihr gegenseitiges Vertrauen erst noch erarbeiten müssen. Im Mittelpunkt Amaranthe, die durch ihre sprachliche Überzeugungskraft die Truppe zusammenstellt und -hält. Ort des Geschehens eine ‚alte‘ Stadt, angesiedelt in einer Parallelwelt. Die Dialoge wunderbar humorvoll und auch wenn es sich um Trivialliteratur handeln mag, es macht Spaß die Sprache zu erkunden.

Ich hab sie letztlich alle gelesen, die sieben Bände, in zehn Tagen. Ein wenig atemlos, ähnlich wie die Protagonisten, die von Abenteuer zu Abenteuer getrieben werden, kaum Zeit haben zu ruhen und ihre Welt retten müssen.

Nun ist es zu Ende, und ich sitze ein wenig verloren herum, so ohne Fortsetzung.

Vielleicht ist es nun an der Zeit wieder zu einem ‚Buch‘ zu greifen 😉


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Lesetipp – Nickolas Butler ‚Shotgun Lovesongs‘

Nickolas Butler Shotgun Lovesongs

Fünf Freunde, Wisconsin, Lieder von Liebe, Freundschaften, Höhen und Tiefen, Erfolg, Niederlagen, dem Leben eben.

Manche Bücher sprechen einen mehr an als andere. Mir wurde das Buch von einer Freundin zum ‚Probelesen‘ gegeben, die keinen Zugang dazu fand.

Ich war sofort drin, in dieser kleinen amerikanischen Mittelwesten-Szenerie. Ich konnte die schneidende Kälte der berüchtigten Winterstürme spüren, den trockenen, Mais-geschwängerten Geruch des Herbstes, die schwüle Hitze des Sommers, wenn die Luft schwirrt, die Tage lang sind und erst am Morgen eine leichte Abkühlung Schlaf verspricht.

Vielleicht liegt es daran, dass ich diese Gegend der USA besonders mag. Dass ich mir genau diese Menschen dort vorstellen kann, diejenigen, die es (vermeintlich) geschafft haben, fortgezogen sind und dennoch im Herzen den Ort nie verlassen haben. Die anderen, die geblieben sind und nur in Gedanken mitreisen können, die, die nirgendwo anders glücklich werden können und die, die von der Enge einer Kleinstadt erdrückt werden und fort müssen.

Mir gefällt die Beschreibung der Menschen, ich kann sie mir vorstellen, ich kann mit ihnen mitfühlen, ihre Lieben, Schwächen, Dummheiten, Freundschaften verstehen.

Für einen schönen Lese-Tag war ich Teil dieser Kleinstadt in Wisconsin, eine Beobachterin der Geschehnisse.

… und jetzt würde ich am liebsten meine Sachen packen und sofort hinfliegen!